Donnerstag, 9. April 2015

#regrettingmotherhood - No Regrets und viel heiße Luft

Endlich wollte ich mal wieder bloggen und eigentlich von Ostern berichten und meinen aktuellen "Vereinbarkeistproblemen". Aber dann wurde die regrettingmotherhood-Kuh virtuell durchs Dorf getrieben und ich habe lange überlegt, ob ich nun auch noch auf den Zug aufspringen und meinen Senf dazugeben muss. Aber da sich meine Gedanken ohnehin ständig um das Thema "motherhood" in unserer heutigen Gesellschaft drehen und natürlich auch die ganzen negativen Aspekten, die bei manchen sicher zu "regrets" führen, ist das Verbloggen nur die logische Konsequenz. Wozu hat man sonst einen Blog, gelle?!



Der SZ Artikel

Auslöser der Debatte war ja ein Artikel in der SZ mit dem Titel Unglückliche Mütter, dem eine israelische Studie zugrunde lag, in der ganze 23 Frauen geäußert hatten, dass sie nicht noch einmal Mutter werden wollten, wenn sie die Zeit zurückdrehen konnten. Dem kritischen Leser fällt dabei auf, dass nicht erwähnt wird, wie viele Frauen befragt wurden, um diese 23 "regretting mothers" ausfindig zu machen. 100, 1.000, 10.000??? Um einen validen Rückschluss auf eine gesellschaftliche Grundhaltung ziehen zu können, wäre es doch mal interessant zu wissen, welchen Anteil diese Mütter an der Gesamtzahl der Mütter ausmachen. Schließlich hat Israel über 8 Mio. Einwohner! Die lediglich fragmentarisch und völlig aus dem Kontext gerissenen Zitate der Mütter legen aber nahe, dass es der Wissenschaftlerin darum ging, die Gründe für ein Bereuen der Mutterschaft zu untersuchen und es liegt in der Natur der Sache, dass dies nur mit einer Befragung der Betroffenen funktioniert.

Die Autorin der SZ hingegen lässt sich messerscharf daneben geschlussfolgert anhand der unglaublichen Anzahl von 23 befragten "regretting mothers" zu der Aussage hinreißen, dass VIELE Frauen ihre Mutterrolle bereuen würden. Diese Schlussfolgerung gibt die Studie allerdings in keiner Weise her, denn wir werden ja im Unklaren gelassen, ob 23 Frauen nun relativ betrachtet viele oder wenige sind. Sorry, aber detektivischer Scharfsinn gehört offenbar nicht gerade zu den herausragenden Eigenschaften dieser Autorin, wohl aber die Fähigkeit, mit einer reißerischen Schlagzeile eine ganze Mütter-Internetgemeinde in Aufruhr zu versetzen!

Regretting Motherhood - Keine Überraschung 

Um ehrlich zu sein, finde ich es nicht einmal überraschend, dass es Mütter gibt, die sich ihre Mutterschaft irgendwie doch anders vorgestellt haben und sich - wenn sie denn die Zeit zurückdrehen könnten - anders entscheiden würden. Ob es nun viele Mütter sind oder nur wenige, wissen wir ja leider nicht, denn aus der Befragung von 23 regretting mothers lässt sich nun einmal kein Rückschluss auf ein etwaiges gesellschaftliches Phänomen ziehen.

Wenn wir mal ehrlich sind, ist es doch oft im Leben so, dass man die eine oder andere Entscheidung bereut oder mit dem heutigen Wissen anders getroffen hätte, sei es bei der Berufswahl, bei der Partnerwahl oder eben auch bei der Entscheidung oder man nun ein Kind möchte oder nicht. Das ist doch irgendwie die logische Folge, wenn man die Qual der Wahl hat. Die vielen Wahlmöglichkeiten und das sich daraus ergebende Bedürfnis, seine Entscheidungen zu hinterfragen und zu thematisieren, halte ich hingegen tatsächlich für ein Phänomen unserer Zeit. Heutzutage haben wir die Wahl, ob wir Mutter sein wollen oder nicht, ob wir berufstätig sein wollen oder liebe zu Hause bleiben, ob wir Bio kaufen und selbst nähen oder oder einfach ganz konventionell, oder oder oder.

Und manchmal trifft man bei den vielen Wahlmöglichkeiten im Leben die falsche Entscheidung. Warum sollte es ausgerechnet bei der Kinderfrage anders sein, gerade weil die Kinderfrage so elementar und die Änderungen durch ein Leben mit Kindern für viele Frauen so unvorhersehbar tiefgreifend sind.

Keine Tabuisierung!

So logisch die Einsicht sein mag, dass auch die Entscheidung in der Kinderfrage rückblickend falsch sein kann, so schwerwiegend können die Folgen sein, denn die Entscheidung ist unumkehrbar. Wenn das Kind erst einmal da ist, muss es versorgt und bekümmert werden und zwar nicht nur physisch sondern vor allem emotional. Solange die regretting mothers nur denken, dass sie sich rückblickend anders entschieden hätten, aber ihre Kinder dennoch lieben und gut versorgen, ist doch alles okay. Ich denke manchmal auch, dass mich eine andere Berufswahl langfristig glücklicher gemacht hätte, aber dennoch bin ich mit meiner jetzigen Situation nicht unglücklich.

Problematisch wird es meines Erachtens dann, wenn sich das Bereuen unmittelbar in der alltäglichen Beziehung zum Kind bemerkbar macht, wenn einen Mutter keine Liebe geben kann und mit ihrem Schicksal hadert. Diesen regretting mothers sollte in der Tat geholfen werden mit der Situation umzugehen und ein erster Schritt ist es, über das Bereuen der Kinderentscheidung zu sprechen.

Kinder - Ein Risikoinvestment

Finally halte ich es auch für ganz wichtig, über die Realität des Lebens mit Kindern zu sprechen, damit sich niemand unwissend aufgrund einer gesellschaftlichen Erwartungshaltung für Kinder entscheiden muss, ohne dies wirklich zu wollen. Wirtschaftlich gesehen sind Kinder eben kein Bundesschatzbrief, bei dem man Betrag X investiert und nach einer festen Laufzeit sein Investment plus einen festen Zinssatz erhält. Kinder sind eher ein volatiles Investment. Man investiert in jedem Fall eine ganze Menge, körperlich, schlaftechnisch, geistig, finanziell und hat keine Gewissheit, ob sich das Investment später auszahlt. Wer weiß schon, ob sich die Kinder später mal um einen kümmern, einen immer lieb haben, einem süße Enkelkinder schenken oder vielleicht nur einmal im Jahr eine Postkarte vom anderen Ende der Welt?

Das Einzige, was einem bei einem Kinderinvestment sicher ist, ist eine gewisse Laufzeit mit erheblichen Schwankungen von tiefster Liebe, herzlichem Lachen, gemeinsamen Glücksmomenten aber auch absoluter Genervtheit, existenzieller Erschöpfung und ständiger Übermüdung. Und während der Laufzeit macht man einen gemeinsamen Prozess des Wachsens durch, auf den man den Rest seines Lebens zurückblicken kann und an dessen Ende idealerweise aus einem kleinen undeutenden Investment ein recht ordentlicher Mensch mit vernünftigen Werten und Ansichten geworden ist.

Wenn man diesen Prozess nun als seinen Gewinn betrachtet, lohnt sich das Investment. Aber ich finde es auch nachvollziehbar, wenn eine Frau entscheidet, dass das nichts für sie ist. Mit der Kinderfrage ist es irgendwie ein bisschen, wie mit der Luios Vuitton Handttasche, die mir mein Mann vor ein paar Jahren geschenkt hat. Ein schönes Teil, nur leider passt es nicht zu mir. Und das Leben mit Kindern passt auch nicht zu allen Frauen im gebärfähigen Alter. Immerhin bleiben inzwischen ca. 30 % der Akademikerinnen kinderlos und davon sicher auch viele ganz gewollt, was ich gut nachvollziehen kann.

No Regrets

Für mich kann ich sagen, dass ich meine Entscheidung für Kinder zum Glück nicht bereue. Ganz im Gegenteil, ich freue mich jeden Tag diese zwei kleinen Menschen um mich zu haben und zu begleiten. Natürlich macht das Kinderhaben viele Dinge nicht leichter: die Karriere, kaum Zeit für mich, wenig Paarzeit, das ständige Planen und Rotieren und und und. Auf der Sollseite des Kinderhabens sind so einige Posten zu verbuchen, aber die Habenseite gefüllt mit vielen schönen glücklichen Momenten überwiegt für mich ganz eindeutig, so dass ich zu einer positiven Bilanzsummen komme und ja, ich bin sehr froh, dass ich mich nicht getäuscht habe!